1. Vorbemerkungen
Bei kommunalen Bauvorhaben ist das Thema „Sicherheitsleistungen“ besonders zu beachten. Sicherheitsleistungen im Sinne von § 14 VOB/A und § 17 VOB/B entsprechen gängiger Praxis. Allerdings sind bei der praktischen Umsetzung erhebliche Defizite festzustellen. Beispiele: Vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaften werden nicht eingefordert, Bürgschaften werden zeitlich befristet, obwohl die unbefristete Bürgschaft vereinbart war. Oder Bürgen behalten sich vor, die Bürgschaftssumme zu hinterlegen.
An dieser Stelle sollen Sicherheitsleistungen in Form von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften beschrieben werden.
2. Grund der Sicherheitsleistung
Für Sicherheitsleistungen bei kommunalen Bauvorhaben kann es verschiedene Gründe geben. Da ist zunächst das Bedürfnis der Gemeinde zu nennen, dass der Auftragnehmer die ihm übertragene Leistung einschließlich der Abrechnung vertragsgemäß erbringt (Vertragserfüllungssicherheit). Sobald das Werk vollbracht und abgenommen ist, ändert sich das Interesse dahingehend, gegen den Auftragnehmer Ansprüche auf Gewährleistung, Schadenersatz oder aus Überzahlungen durchsetzen zu können (Gewährleistungssicherheit).
Sicherheitsleistungen sind gleichfalls möglich bei Abschlagszahlungen für angefertigte, bereitgestellte Bauteile oder für auf der Baustelle angelieferte Stoffe und Bauteile (§ 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B) sowie bei Vorauszahlungen (§ 16 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B).
Zweck von Sicherheitsleistungen ist es, die Gemeinde vor etwaigen zukünftig eintretenden finanziellen Verlusten zu bewahren. Allerdings kann die Gemeinde nicht so mir nichts dir nichts eine Sicherheitsleistung fordern, beispielsweise wenn ihr eine Schlussabrechnung einer Baufirma zugegangen ist. Dies ist nur möglich, wenn darüber eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen der Gemeinde als Auftraggeberin und dem Unternehmen geschlossen wurde. Rechtsgrundlagen dafür sind §§ 232 bis 240 BGB.
Nach den kommunalen Vergabevorschriften haben Gemeinden die VOB zwingend anzuwenden. Regelungen zu Sicherheitsleistungen finden sich in § 14 VOB/A und in § 17 VOB/B.
3. Bestimmungen für die Vergabe
Teil A der VOB befasst sich mit den allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen. Bereits bei der Ausfertigung der Vergabeunterlagen ist zu überlegen, ob vom Auftragnehmer Sicherheitsleistungen gefordert werden sollen oder nicht. Aus § 14 Nr. 1 VOB/A ist zu entnehmen, dass auf Sicherheitsleistungen ganz oder teilweise verzichtet werden soll, wenn Mängel der Leistung voraussichtlich nicht eintreten oder wenn der Auftragnehmer hinreichend bekannt ist und genügend Gewähr für die vertragsgemäße Leistung und die Beseitigung etwa auftretender Mängel bietet.
Aus dieser Formulierung ist zu erkennen, dass Sicherheitsleistungen nicht zwingend vorgeschrieben sind. Andererseits ist es auch nicht ausgeschlossen, Sicherheitsleistungen auch dann zu vereinbaren, wenn die in § 14 Nr. 1 VOB/A genannten Verzichtgründe gegeben sein sollten.
Der Verzicht auf Sicherheitsleistungen birgt naturgemäß ein gewisses Risiko. Ob der Unternehmer seine Leistung voraussichtlich mangelfrei erbringt, ist nicht zweifelsfrei vorhersehbar. Gerade der Baubereich zeigt immer wieder, dass in nicht unerheblichem Maße Baumängel vorhanden sind, die ein Nachbessern erforderlich machen. Der zweite Verzichtsgrund, Solidität und Seriosität des Auftragnehmers, ist bei öffentlichen Ausschreibungen, was ja für Gemeinden der Regelfall ist, kaum praktizierbar. Es ist nämlich nicht bekannt, welcher Unternehmerkreis sich um die Vergabe bewerben wird. Schon von daher dürfte der Gedanke des Verzichts auf Sicherheitsleistungen eher theoretischer Natur sein. Allenfalls bei der Freihändigen Vergabe an einen bekannten Unternehmer könnte der Verzicht auf Sicherheitsleistungen in Erwägung gezogen werden. Aber: Wenn ein solches Unternehmen insolvent werden sollte, war’s nichts mit der Zuverlässigkeit.
Der Bund als Auftraggeber hat den Verzicht auf Sicherheitsleistungen in seinem Vergabehandbuch geregelt. Danach sind gemäß der Richtlinie zu § 14 VOB/A für die vertragsgemäße Erfüllung bei Öffentlicher Ausschreibung und Offenem Verfahren Sicherheitsleistungen in der Regel erst ab einer voraussichtlichen Auftragssumme von 250.000 € zu fordern. Bei Beschränkter Ausschreibung, Beschränkter Ausschreibung nach Öffentlichem Teilnahmewettbewerb, Freihändiger Vergabe, Nichtoffenem Verfahren und Verhandlungsverfahren werden Vertragserfüllungssicherheiten in der Regel nicht verlangt. Für die Erfüllung der Gewährleistung werden unabhängig von der Vergabeart Sicherheiten in der Regel erst ab einer Auftragssumme einschließlich aller Nachträge bzw. der Abrechnungssumme von 250.000 € gefordert. Diese Regelungen gelten auch bei den staatlichen Hochbauverwaltungen der Bundesländer.
4. Forderungen der Bauwirtschaft auf Begrenzung von Sicherheiten
Die Kommunen in Baden-Württemberg wenden bei Bauvergaben überwiegend das von den kommunalen Landesverbänden in Zusammenarbeit mit der Gemeindeprüfungsanstalt herausgegebene Kommunale Vergabehandbuch an. Danach wird generell die Vereinbarung von Sicherheitsleistungen empfohlen. Allerdings, so die Herausgeber, bestehen im Blick auf § 14 VOB/A keine Bedenken, wenn die kommunalen Auftraggeber bis zu einem bestimmten Auftragswert (z. B. bis 50.000 €) keine Sicherheiten für die Vertragserfüllung und die Gewährleistung vereinbaren. Für Abschlagszahlungen i. S. des § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/B und für Vorauszahlungen sind stets Sicherheiten zu leisten.
Diese Empfehlung geht der Bauwirtschaft nicht weit genug. So hat beispielsweise die Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg für den kommunalen Bereich eine deutliche Reduzierung von Sicherheitsleistungen gefordert und sich für die Einführung der Regelungen wie beim Bund und bei den Ländern stark gemacht. Die verlangten Sicherheitsleistungen könnten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen zu beträchtlichen Problemen führen. Ein gewichtiger Gesichtspunkt dabei sei, dass die Kreditinstitute die von ihnen gewährten Bürgschaften auf die Kreditlinien der Firmen anrechnen würden. Bei einer größeren Zahl von Aufträgen, die gleichzeitig bearbeitet würden, könne so das Kreditvolumen eines Betriebes schnell erschöpft sein. Hinzu komme der weitere Aspekt, dass für die Bürgschaften Avalprovisionen zu entrichten seien, die das Betriebsergebnis zusätzlich belasten würden.
Diese Argumente der Bauwirtschaft überzeugen von der monierten Kostenbelastung her nicht. Denn der jährliche Avalzins für eine Bürgschaft mit 2 bis 3 % wird wohl in die Angebotspreise einkalkuliert und belastet die Baufirma nicht. So gesehen zahlt im Ergebnis beispielsweise die Kosten einer Gewährleistungsbürgschaft nicht das Unternehmen, sondern die Gemeinde über höhere Baupreise.
Welche Kosten fallen für eine Gewährleistungsbürgschaft an? Dazu ein kleines Beispiel: In einer Gemeinde wird eine alte Ortsstraße erneuert. Die Abrechnungssumme der Straßenbaufirma beläuft sich auf 450.000 €. Vereinbart ist eine Gewährleistungsbürgschaft mit 3 % für 5 Jahre.
Aus den Baukosten in Höhe von 450.000 € errechnet sich eine Bürgschaftssumme mit 13.500 €. Dafür verlangt das Kreditinstitut einen Avalzins mit 2 % p. a., das sind jährlich 270 € und in 5 Jahren 1.350 €. Dieser Betrag belastet, da normalerweise in die Baukosten eingerechnet, die Gemeinde.
Man sieht, dass die mokierte Kostenbelastung der Bauunternehmen nicht sehr stichhaltig ist. Dies war mit ein Grund für die Herausgeber des Kommunalen Vergabehandbuchs Baden-Württemberg, ihre Empfehlung unverändert zu lassen und nicht auf die geforderte Sicherungsgrenze von 250.000 € einzugehen. Das Sicherheitsbedürfnis von Kommunalverwaltungen ist anders zu beurteilen, als das des Landes oder des Bundes. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei vielen kommunalen Bauauftraggebern wohl fachlicher Sachverstand nicht in dem Maße vorhanden ist, wie dies bei den großen Bauverwaltungen von Bund und Ländern der Fall ist.
Dass die Baufirmen die Kosten für Sicherheiten in die Baupreise einkalkulieren, lässt sich auch aus dem Vergabehandbuch des Bundes schließen. Dort heißt es in der Richtlinie zu § 14 VOB/A: „In geeigneten Fällen kann sich der Auftraggeber vorbehalten, bei Zuschlagserteilung auf die Stellung einer Sicherheit zu verzichten. In diesen Fällen hat der Bieter im Angebot anzugeben, um welchen Satz sich die Angebotspreise vermindern. Diese Angabe ist bei der Wertung der Angebote nicht zu berücksichtigen“. Daraus ist eindeutig zu entnehmen, dass der Bund davon ausgeht, dass er die Kosten der Sicherheitsleistungen letztlich zahlt. Die Argumentation der Bauwirtschaft, Kosten von Sicherheiten gingen zu ihren Lasten, wird wohl nur als Schutzbehauptung zu lesen sein.
Natürlich sollte das Instrument der Sicherheiten nicht Selbstzweck sein. So gesehen ist es durchaus überlegenswert, ob man bei kleineren Aufträgen generell von Vertragserfüllungssicherheiten Abstand nimmt. Wenn beispielsweise eine Schreinerfirma einen Auftrag in Höhe von 30.000 € übernimmt, würde man als Vertragserfüllungsbürgschaft über 5 % gerade mal auf 1.500 € Sicherheitsleistung kommen. Zum Vergleich: Schon nach wenigen Tagen auf der Baustelle hat der Auftragnehmer diese Summe abgearbeitet, ohne dass er dafür auch nur eine Mark als Abschlagszahlung erhalten hat.
Für die Mängelgewährleistung dürfte auch bei kleineren Aufträgen die Vorlage einer Gewährleistungsbürgschaft angebracht sein. Die Erfahrung zeigt, dass es Probleme weniger bei der Vertragserfüllung als vielmehr bei der Gewährleistung geben kann. Deshalb hat die Gemeinde großes Interesse an einer angemessenen Sicherheit für etwaige Gewährleistungsansprüche. Die Praxis zeigt, dass kaum ein Bauwerk völlig mangelfrei errichtet wird. Nach der Abnahme zeigen sich innerhalb der Gewährleistungsfrist immer wieder Mängel, die der Auftragnehmer auf seine Kosten zu beseitigen verpflichtet ist. Ohne eine Sicherheit müsste die Gemeinde während dieser Zeit uneingeschränkt das Bonitätsrisiko des Auftragnehmers tragen4). Wenn der Unternehmer nach Ausführung seiner Arbeit keine Gewährleistungssicherheit stellen muss, wird er unter Umständen wenig Interesse daran haben, einen Gewährleistungsfall ordnungsgemäß abzuarbeiten. Hier ist die Gewährleistungsbürgschaft ein effektives Instrument in Händen der Kommune.
Sofern der Unternehmer bei einem Gewährleistungsfall wegen Insolvenz nicht mehr greifbar ist, ist die Gewährleistungsbürgschaft für die Gemeinde die einzige Möglichkeit, sich schadlos zu halten. Bei einem Unternehmer, der weiterhin am Markt ist, muss die Gewährleistungsbürgschaft auch von der Seite der Geschäftsbeziehung des Unternehmers zu seinem Bürgen gesehen werden. Wenn es seine Hausbank ist, wird er es sich sehr wohl überlegen, ob er den Gewährleistungsfall erledigt, oder ob er die Gemeinde auf die Bürgschaft verweist. Kreditinstitute sind an Gewinnen interessiert. Diese werden durch die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft geschmälert. Also wird das Kreditinstitut dem Unternehmer „Beine“ machen, dass er seiner Gewährleistungsverpflichtung nachkommt. Ansonsten dürften ernste Störungen in deren Geschäftsbeziehungen nicht ausbleiben. So betrachtet ist die Gewährleistungsbürgschaft in erster Linie ein Druckmittel gegenüber dem Unternehmer und in erst in zweiter Linie eine anspruchsbegründende Urkunde gegenüber dem Bürgen. Hinzu kommt, dass der Bürge, wenn er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wurde, seinerseits Ersatz beim Unternehmer verlangen kann. Die Forderung in Höhe der Zahlung an die Gemeinde geht nach § 774 Abs. 1 BGB auf den Bürgen über.
5. Die Höhe der Sicherheit
Nach § 14 Nr. 2 VOB/A soll die Sicherheit nicht höher bemessen und ihre Rückgabe nicht für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen werden, als nötig ist, um den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren. Die Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag soll 5 % der Auftragssumme nicht überschreiten (sog. Vertragserfüllungssicherheit). Höhere Sicherheiten dürften nur ausnahmsweise zulässig sein, wenn ein ungewöhnliches Risiko für die Gemeinde zu erwarten ist. Die Sicherheit sollte dann 10 % der Auftragssumme nicht überschreiten.
Zu fragen ist, was bezüglich der Vertragserfüllungssicherheit zu unternehmen ist, wenn sich die Auftragssumme durch Nachträge erhöht. Hier sollte man berücksichtigen, in welchem Baustadium das Werk steht und wie hoch die Nachtragssumme ist. Da Nachträge erfahrungsgemäß im Laufe der Bauausführung erkennbar werden, bestehen für die Gemeinde dann keine erhöhten Risiken, wenn das Gewerk schon weit fortgeschritten ist. Empfehlung: Die Sicherheitsleistung sollte wegen Nachtragsleistungen nur erhöht werden, wenn sich der Auftragswert um mehr als 25.000 € erhöht. Die Sicherheit für die Gewährleistung soll nach § 14 Nr. 2 Satz 3 VOB/A nicht höher als 3 % der Abrechnungssumme sein.
Als Bezugsgröße der Sicherheit wird in § 14 Nr. 2 VOB/A bei der Vertragserfüllungssicherheit die Auftragssumme und bei der Gewährleistungssicherheit die Abrechnungssumme genannt. Darunter ist üblicherweise die Vergütung des Unternehmers einschließlich Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) zu verstehen, sofern keine anderslautende vertragliche Abmachung vorliegt.
Beispiel: 5 % der Auftragssumme als Vertragserfüllungsbürgschaft.
Auftragssumme netto: 680.000 €
Auftragssumme brutto: 788.800 €
Bürgschaftssumme (5 % aus 788.800 €): 39.440 €.
6. Sicherheit in Form einer Bürgschaft
Generell sind alle in § 232 BGB genannten Sicherheiten geeignet. Aus praktischen Erwägungen kommen für den Baubereich allerdings nur die in § 17 Nr. 2 VOB/B erwähnten Sicherheiten in Frage. Neben dem Einbehalt oder der Hinterlegung von Geld ist die Bürgschaft ein häufig vereinbartes Sicherungsinstrument. Darum soll es im Weiteren gehen.
Hier soll zunächst wieder auf das Vergabehandbuch des Bundes verwiesen werden. Der Bund fordert in erster Linie selbstschuldnerische Bürgschaften. Erst in zweiter Linie ist Sicherheit durch den Einbehalt von auszuzahlenden Beträgen möglich. Diese Regelung wurde auch für den kommunalen Bereich in Baden-Württemberg übernommen.
6.1 Vertragserfüllungsbürgschaft
Nach § 17 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B dient die Vertragserfüllungsbürgschaft dazu, die vertragsgemäße Ausführung der Leistung sicherzustellen. Der Auftragnehmer hat die Bürgschaftsurkunde gemäß § 17 Nr. 7 VOB/B binnen 18 Werktagen nach Vertragsschluss bei der Gemeinde zu hinterlegen. Eine davon abweichende Frist ist zwar möglich, davon sollte aber kein Gebrauch gemacht werden. Die Frist der VOB ist ausreichend lang bemessen, so dass sich der Auftragnehmer in dieser Zeit einen Bürgen besorgen kann. Das wird sowieso in den meisten Fällen das Kreditinstitut sein, mit dem er regelmäßig zusammenarbeitet.
In der täglichen Praxis musste wiederholt festgestellt werden, dass es Kommunen gibt, die zwar eine Vertragserfüllungsbürgschaft schriftlich vereinbart, sich dann aber nicht an ihren eigenen Vertrag gehalten und keine Bürgschaft verlangt haben. Das ist aus zweierlei Gründen negativ. Erstens wird der Auftragnehmer sehr schnell merken, dass er die schriftlichen Vereinbarungen im Bauvertrag wohl nicht so ernst nehmen muss. Es ist halt Papier und Papier soll ja bekanntlich sehr geduldig sein. Zweitens wird er seinen Avalzins für die Vertragserfüllungsbürgschaft in die Baukosten eingerechnet haben. Dann zahlt die Gemeinde für eine Sicherheit, die sie nicht in Händen hat.
An und für sich ist die fehlende Vertragserfüllungsbürgschaft kein großes Problem. Es gibt nämlich einen Ausweg, um trotzdem an die vereinbarte Sicherheit zu kommen. Ein Blick in § 17 Nr. 7 Satz 2 VOB/B hilft weiter. Wenn der Unternehmer die vereinbarte Sicherheit nicht stellt und damit seine vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt, ist die Gemeinde berechtigt, vom Guthaben des Auftragnehmers einen Betrag in Höhe der vereinbarten Sicherheit einzubehalten. In dem oben genannten Beispiel dürfte die Gemeinde als Sicherheitsleistung von angeforderten Abschlagszahlungen oder gar der Schlusszahlung einen Betrag in Höhe von 39.440 € einbehalten. Das entspricht der Höhe der Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Vertragssumme. Dadurch wäre ihr Sicherheitsbedürfnis ausreichend gewahrt.
Dieser sogenannte Sicherheitseinbehalt hat allerdings auch seine Tücken, wenn es um die fehlende Vertragserfüllungsbürgschaft geht. Manche Ingenieure und Architekten sind der Meinung, sie dürften von einer (Abschlags-)Zahlung entsprechend § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B nur 10 % als Sicherheitseinbehalt abziehen. Dabei haben sie offensichtlich § 17 Nr. 7 Satz 3 VOB/B nicht aufmerksam genug gelesen. Dort heißt es, dass aus Nr. 6 gerade der Absatz 1 Satz 1 nicht anzuwenden ist. Was nichts anderes bedeutet, dass bei einer fehlenden Vertragserfüllungsbürgschaft bei der ersten Abschlagsforderung sofort ein Betrag in Höhe der vereinbarten Sicherheitssumme abgezogen und einbehalten wird. Nach § 17 Nr. 6 Abs. 4 VOB/B wird der einbehaltene Betrag nicht verzinst.
Beispiel:
Der Unternehmer stellt eine Abschlagsrechnung über 170.000 €. Eine Vertragserfüllungsbürgschaft liegt vertragswidrig nicht vor. Würde man nach § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B kürzen und fälschlicherweise nur 10 % als Sicherheit einbehalten, bekäme der Unternehmer 170.000 € abzüglich 17.000 € (was 10 % entspricht), also 153.000 € Abschlag gezahlt. In unserem obigen Beispiel beträgt die Gewährleistungssumme 39.440 €. Dieser Betrag wird nach § 17 Nr. 7 Satz 3 VOB/B als Sicherheit einbehalten, so dass die angeforderte Abschlagssumme über 170.000 € auf 130.560 € zu kürzen ist.
6.2 Gewährleistungsbürgschaft
Wie dem Wortlaut des § 17 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B zu entnehmen ist, dient die Bürgschaft dazu, die Gewährleistung sicherzustellen. Die Gewährleistung beginnt nach der Abnahme. Mit der Gewährleistungssicherheit werden alle während der Gewährleistungsfrist vorhandenen Mängel abgedeckt. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Mängel vor, bei oder nach der Abnahme erkannt wurden.
Üblicherweise vereinbaren Kommunen im Bauvertrag, dass als Sicherheit für die Gewährleistung 5 % der Auftragssumme einschließlich der Nachträge einbehalten werden. Das widerspricht nicht § 14 Nr. 2 VOB/A, weil die dort verwendete Formulierung eine höhere Sicherheit als 3 % nicht ausschließt.
Weil der Unternehmer sowohl nach § 232 BGB als auch nach § 17 Nr. 3 VOB/B ein Wahlrecht hat, kann er, anstatt des Abzugs von der Schlussrechnung, auch eine Bürgschaft beibringen, wovon in der überwiegenden Anzahl der Fälle auch Gebrauch gemacht wird. Das ist für ihn billiger. Während er für die Bürgschaft 2-3 % Avalzins zu zahlen hat, müsste er bei der Finanzierung des einbehaltenen Betrages über Fremdmittel einen weit höheren Sollzins akzeptieren.
7. Die Einzelheiten der Bürgschaft
7.1 Es muss ein tauglicher Bürge sein
Bei Sicherheitsleistung durch Bürgschaft ist nach § 17 Nr. 4 VOB/B nur ein tauglicher Bürge akzeptabel. Was darunter zu verstehen ist, wurde in den maßgebenden Vergabehandbüchern von Bund, Ländern und Kommunen definiert.
Als Bürge kommt nur ein in den Europäischen Gemeinschaften zugelassenes Kreditinstitut oder ein Kreditversicherer in Betracht. Bei deutschen Kreditinstituten wird es keine Zweifel geben. Die Kreditinstitute der EU sind in einer von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erstellten und jeweils im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Bankenliste aufgeführt. Die Bankenliste ist auch per E-Mail bei der Europäischen Zentralbank abrufbar. Eine Liste der in Deutschland zugelassenen Kreditversicherer ist als Anlage zum Vergabehandbuch des Bundes abgedruckt.
Welches Kreditinstitut oder welchen Kreditversicherer der Auftragnehmer als Bürgen auswählt, bleibt ihm überlassen. Die Gemeinde hat hierbei kein Mitspracherecht, es sei denn, dass eine anderslautende Vereinbarung vorliegt. Allein entscheidend ist, ob der Bürge die Kriterien eines tauglichen Bürgen erfüllt.
7.2 Die Bürgschaftserklärung muss schriftlich vorliegen
Sowohl nach § 17 Nr. 4 Satz 2 VOB/B als auch nach § 766 BGB ist die Bürgschaftserklärung schriftlich abzugeben. Unter schriftlich versteht man die Übergabe der Originalurkunde mit rechtsverbindlicher Unterschrift. Sonst ist die Bürgschaft wegen Verletzung zwingender Formvorschriften unwirksam. Ein Zugang der Bürgschaftserklärung per Telefax genügt dem Schriftformerfordernis nicht, weil per Telefax keine Originalunterschrift, sondern lediglich eine Kopie des Originals übermittelt wird.
7.3 Es muss eine selbstschuldnerische Bürgschaft sein
Nach dem allgemeinen Bürgschaftsrecht in §§ 765 ff. BGB kann der Bürge verlangen, dass zunächst gegen den Schuldner vorgegangen wird. Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft verzichtet der Bürge auf die Einrede der Vorausklage. Die Gemeinde kann dabei sofort, wenn sie vom Unternehmer kein Geld erhält oder dieser seiner Gewährleistungspflicht nicht nachkommt, den Bürgen in Anspruch nehmen. Deshalb muss in der Bürgschaftsurkunde unbedingt stehen, dass der Bürge auf die Einrede der Vorausklage verzichtet.
Darüber hinaus kann sich der Bürge in der Bürgschaftsurkunde auch verpflichten, an die Gemeinde auf erste Anforderung zu zahlen. Das hat den Vorteil, dass der Bürge nicht irgendwelche Einwendungen aus dem Bürgschaftsvertrag vorbringen kann. Das Entstehen und die Durchsetzbarkeit der Hauptforderung gegen den Unternehmer muss die Gemeinde in diesem Fall nicht nachweisen. Falls darüber Streit entsteht, muss nämlich der Unternehmer nachweisen, dass die Hauptforderung nicht entstanden und nicht durchsetzbar ist. Der Bürge kann mögliche Einwendungen lediglich durch die spätere Rückforderung seiner Zahlung nach § 812 BGB geltend machen. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ist in § 17 Nr. 4 VOB/B eigentlich nicht vorgesehen. Deshalb kann sie nur gefordert werden, wenn dies im Bauvertrag ausdrücklich vereinbart wurde.
Ob Bürgschaften auf erstes Anfordern zulässig sind, war in letzter Zeit Gegenstand mehrerer Gerichtsurteile. Nach dem Urteil des OLG München vom 20.6.1995, BauR 1995, 859 ist bei öffentlichen Auftraggebern eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zulässig und kein Verstoß gegen § 9 AGB-Gesetz. In seinem Urteil vom 22.8.1995, ZfBR 1996, 216 vertritt das OLG München die Auffassung, dass Bürgschaften auf erstes Anfordern im Baugewerbe üblich seien und den Auftragnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Gegen dieses Urteil wurde allerdings Revision eingelegt. Der BGH hat das Urteil des OLG München aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückgewiesen. Nach Ansicht des BGH ist eine formularmäßige Bürgschaft auf erstes Anfordern nach § 9 AGB-Gesetz unwirksam, weil der Auftragnehmer bzw. der Bürge für einen unverhältnismäßig langen Zeitraum das Bonitätsrisiko des Auftraggebers zu tragen hat (BGH, Urteil v. 5.6.1997 – VII ZR 324/95, BauR 1997, 829 = NJW 1997, 2598).
Dieses BGH-Urteil ist in kommunalen Fachkreisen nicht unumstritten. Es ging es um einen privaten Auftraggeber, der zahlungsunfähig werden kann und dann Insolvenz beantragen muss. In so einem Fall hat ein Bürge ein großes Insolvenzrisiko, wenn ein Auftraggeber sachlich unberechtigte Zahlung auf erstes Anfordern verlangt und der Bürge erst nach Jahren im Rückforderungsprozess beweisen muss, dass ein Bürgschaftsfall nicht vorlag bzw. die Zahlung unberechtigt war. Dagegen sind öffentliche Auftraggeber nicht insolvenzgefährdet. Insofern ist das BGH-Urteil auf öffentliche Auftraggeber nicht ohne weiteres übertragbar. Dazu hat sich der BGH allerdings nicht ausdrücklich geäußert.
Auf Empfehlung der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg verwenden die Kommunen in Baden-Württemberg bei Gewährleistungsbürgschaften weiterhin die Bürgschaftsformulare mit dem Wortlaut „auf erstes Anfordern“, während der Bund darauf im Gewährleistungsfall nicht mehr besteht.
Mitunter findet man Bürgschaftserklärungen vor, nach denen der Bürge berechtigt ist, sich jederzeit von der Verpflichtung aus der Bürgschaft zu befreien, indem er den Bürgschaftsbetrag zum Zwecke der Sicherheitsleistung im Namen und für Rechnung des Unternehmers hinterlegt, etwa beim Amtsgericht. Damit umgeht der Bürge die Zahlung auf erstes Verlangen. Im Streitfall kann die Gemeinde unter Umständen jahrelang prozessieren, bis sie ihr Geld sieht. Der Bürge braucht nicht zu zahlen, weil er das Geld hinterlegt hat. Erst nach dem Ende einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Gemeinde und Unternehmer ist der Bürge zur Zahlung verpflichtet. Wenn in der Bürgschaftsurkunde eine Zahlung auf erstes Verlangen enthalten ist, muss folgerichtig das Recht auf Hinterlegung ausgeschlossen sein.
7.4 Die Bürgschaft darf zeitlich nicht begrenzt sein
Nach § 17 Nr. 4 Satz 2, letzter Halbsatz VOB/B darf die Bürgschaft zeitlich nicht begrenzt werden. Hiergegen wird in der Praxis oft verstoßen. Viele Gemeinden akzeptieren begrenzte Bürgschaftsurkunden. Damit wird jedoch verkannt, dass die Bürgschaft in ihrer Dauer von dem Bestehen bzw. der Durchsetzbarkeit der zu sichernden Forderung abhängig sein muss. Sofern bis zum Endzeitpunkt der befristeten Bürgschaft nicht alle Ansprüche der Gemeinde erfüllt sein sollten, wäre eine Durchsetzbarkeit der Forderung gegenüber dem Bürgen wegen der Befristung nicht mehr möglich. In diesem Zusammenhang ist auch auf § 17 Nr. 8 VOB/B hinzuweisen, wonach die Gemeinde die Sicherheit zurückhalten darf, wenn ihre Ansprüche noch nicht erfüllt sind.
7.5 Für die Bürgschaft gelten die Vorschriften der Gemeinde
Die Bürgschaftserklärung muss nach § 17 Nr. 4 Satz 2, letzter Halbsatz VOB/B nach den Vorschriften der Gemeinde ausgestellt werden. Es ist zu empfehlen, die im Kommunalen Vergabehandbuch abgedruckten Muster für Bürgschaftsurkunden zu verwenden. Beim Bund gilt das Muster „EFB-Sich 2“, das dem Vergabehandbuch als Anlage beigefügt ist.
Häufig findet man Bürgschaftserklärungen vor, die dem nicht entsprechen. Jede Bankengruppe verwendet ihr eigenes Bürgschaftsformular. Um sicherzustellen, dass die Bürgschaftsurkunde den kommunalen Vorschriften entspricht, sollten dem Auftragnehmer die entsprechenden Formblätter zur Weiterleitung an den Bürgen ausgehändigt werden. Bei einer Vertragserfüllungsbürgschaft bietet es sich an, das Formblatt zusammen mit dem Auftragsschreiben an den Auftragnehmer zu übersenden.
8. Vorlage und Rückgabe der Bürgschaftsurkunden
Bei der Schlusszahlung an den Unternehmer muss darauf geachtet werden, dass ein Betrag in Höhe der Sicherheit einbehalten wird. Er wird erst ausgezahlt, wenn der Auftragnehmer die Bürgschaftsurkunde vorlegt.
Die Bürgschaftsurkunde ist nach § 17 Nr. 8 VOB/B zurückzugeben, wenn die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche einschließlich der Mängelbeseitigungsleistungen abgelaufen ist und die bis dahin erhobenen Ansprüche – auch auf Erstattung von Überzahlungen – erfüllt wurden.
Rechtsstand: Februar 2002/April 2009
© IKV Erwin Ruff (Originalaufsatz siehe KP BY Heft 1/2001)